Amazonen - ein kontroverses und emotionsbeladenes Thema, an dem Weltbilder unvereinbar aufeinander prallen.
Dabei kristallisieren sich im Laufe der voranschreitenden Forschung im
Bereich der Archäologie zwei Dinge immer deutlicher heraus:
1: Das Matriarchat (Gesellschaftsform, in der die Frauen den Männern übergeordnet sind) war in der
Jungsteinzeit bis in die Kupfer-/ Frühbronzezeit weit häufiger anzutreffen als das Gegenmodell des Partiarchats.
2: Die Amazonen haben aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich existiert.
Leider erschweren fest eingebrannte Weltansichten eine neutrale, sachlich- wissenschaftliche Herangehensweise an die
Forschung ungemein. So geben sich selbst gestandene Professoren immer wieder der Lächerlichkeit preis, indem sie
Argumente (egal, ob für oder wider) in´s Feld führen,
die bei jedem sachlich denkenden Menschen nur Kopfschütteln
auslösen.
So möchte ich hier die Gelegenheit nutzen, die dümmsten dieser Behauptungen endlich einmal beiseite zu räumen:
Blödsinn Nr.1:
Frauen müssen sich eine Brust abschneiden/ausbrennen, damit sie einen Bogen bedienen können.
Um das zu entkräften, brauchen Sie sich nur kurz vorzustellen, Sie wären eine Frau (wenn Sie nicht ohnehin
eine sind) und Sie hätten
einen Bogen in der Hand. Spannen Sie
ihn, bis die Hand ihre Lippen berührt und zielen Sie auf
irgendetwas. Nun wird ihnen auffallen,
daß die (gedachte) Sehne des Bogens
niemals auch nur in die Nähe ihrer Brust kommt, wie riesig sie
auch immer sein mag und egal,
wie grotesk Sie sich verrenken, um einen
Schuß abzugeben.
So lächerlich das klingt - die "Brust-ab-These" wird in Wissenschaftlerkreisen immer noch von vielen Personen vertreten. Wohl hauptsächlich
von Menschen, die niemals an die frische Luft
gehen und Sport treiben... zum Beispiel Bogenschießen.
Übrigens vertraten schon die klassischen, griechischen Historiker (allerdings erst mehr als ein halbes Jahrtausend nach den Amazonen)
diese These - schließlich lässt sich mit etwas
Gewalt und Herumgewürge der Ausdruck "Brustlos" aus dem Wort
Amazone basteln, wenn
man Altgrieschisch benutzt, aber dazu später
mehr...
Blödsinn Nr.2:
Frauen unterliegen Männern in der Schlacht automatisch, weil sie schwächer sind.
Mal davon abgesehen, daß die Kraft-Differenz bei weitem nicht so
groß ist, wie allgemein immer propagiert, möchte ich darauf hinweisen,
daß es sich um eine Schlacht handelt - nicht um einen Wettbewerb im Armdrücken. In einer Schlacht geht es darum, dem Gegner nach
Möglichkeit
terminale Verletzungen zuzuführen. Dazu bedient man sich
üblicher Weise diverser Hilfsmittel, wie Bögen, Speere,
Äxte etc.
Da der menschliche Körper an Stellen, die nicht durch Panzerungen geschützt sind, nunmal unstreitig einen geringeren Härtegrad als
Metall aufweist, ist die Kraft, mit der ein Schlag
ausgeführt wird, eher zweitrangig: Der Schärfe bzw. Spitze der Waffe ist dieser Umstand
geschuldet. Sie müssen ja auch
nicht aussehen wie Herkules, um ein Schnitzel essen zu können,
wenn Sie ein scharfes Besteck-Messer
benutzen...
Bei einem stumpfen Gegenstand - einem Holzprügel etwa - ist Kraft
wichtig, um überhaupt eine Wirkung zu erzielen, aber niemand käme
auf die Idee, mit einem
Baseball-Schläger in eine Schlacht zu ziehen (lassen wir die
großen, mesoamerikanischen Zivilisationen mal
außen vor - das hat bei
denen andere Gründe, die zu erklären hier den Rahmen sprengen
würden).
Halten wir also fest, daß die Fähigkeit, einen Treffer am Gegner anzubringen sowie gegnerische Treffer zu vermeiden, entscheidend ist.
Vor allem sollte man nicht mit römischen
Legionsmaßstäben an frühbronzezeitliche
Auseinandersetzungen herangehen. Präzise koordinierte
"Choreographien" von sauber angeordneten Legionärs-Blöcken
oder ganzen Kampflinien, die mit kumulierter Kraft und Masse den Feind
wortwörtlich vom Feld geschoben haben, existierten damals einfach
nicht.
Blödsinn Nr.3:
Die Bedeutung des Wortes "Amazone"
oder
Die Kunst, etwas im Nichts zu sehen
oder
Scrabble für Fortgeschrittene
Auf die Idee, daß es sich hierbei um die Reste eines Eigennamens
handelt, der im Laufe der Zeit über viele Völker und diverse Sprachen
tradiert und zig mal durch den Wolf gedreht wurde, ist leider noch niemand gekommen. Statt dessen nimmt jeder Wissenschaftler, der
etwas auf sich hält,
die Buchstaben in die Hand, schüttelt sie ordentlich durch, fügt noch nach Belieben einige hinzu - und übt sich dann
in Kaffeesatz-Leserei. Lassen Sie mich kurz einige Früchte dieses lustigen Gesellschafts-Spiels vortragen:
"Korn-los". Man hat so lange gewürfelt, bis man Diodor´s
Behauptung (ca. 100 v.Chr.), die Amazonen würden kein Getreide
anbauen,
bestätigt sah.
"Mond-Frau". Hierbei kann man sich aussuchen, ob sie den Mond angebetet
haben sollen (was inzwischen ohnehin praktisch widerlegt
ist: Die
Götter-/Göttinnenwelt der Damen ist inzwischen bekannt) oder,
ob der Name von ihren halbmondförmigen Schilden herrührt.
"Frau von _____ (tragen Sie hier einen Ort ihrer Wahl ein)".
Würfeln Sie mit! Vielleicht ist die wahre Heimat der Amazonen
Bielefeld!
"Brust-los". Hatten wir ja schon...
Wenn man sich partout an dem Spiel beteiligen soll, wäre mein persönlicher Tipp der altiranische Begriff "Hamazan". Der Begriff bedeutet
schlicht und ergreifend: Kriegerin. Iranische
Dialekte wurden von vielen Völkern der nördlichen Schwarzmeer-Seite gesprochen. Die Region,
in der sich die Spuren der
Amazonen endgültig verloren haben - zu einer Zeit, in der die
Griechen anfingen, richtig viel zu schreiben...
Blödsinn Nr.4:
Von Frauen dominierte Gesellschaften sind friedlicher, weil Frauen nett und lieb und total sozial sind.
Eine solche Aussage kann nur
von Frauen in die Welt gesetzt worden sein, die in ihrer Kindheit zu
viel mit Barbie-Puppen spielten -
will meinen, wir haben es hier mit einem hartnäckigen Fall antrainierter
Verhaltensweisen zu tun. Leider werden Rollenmuster generell
als Axiome
betrachtet. Geht es um Vor- & Frühgeschichte, fällt
reflexartig der Satz: "Während die Männer auf der Jagd sind,
kümmern
die Frauen sich um die Kinder und das Dorf". Ich habe noch nicht einen Grund
gehört, warum es umgekehrt unmöglich - oder schlechter
sein
soll. Eine provokante Frage, die vielleicht zum Nachdenken anregt: Aufgrund
welcher Basis können Frauen behaupten, besser mit
Kindern umgehen zu können als Männer? Weil sie stillen können? Gut. Und
danach? Wenn dies das einzige Argument ist, finde ich die
Behauptung etwas dünn... Sie sehen: Wenn wir sogar solch elementare
Gegebenheiten in Frage stellen können, steht alles Weitere auf
noch viel wackeligeren Füßen. Wenn wir uns von dem Rollenkorsett
trennen, das uns über viele Generationen aufgezwungen wurde,
bleibt nur noch die Binsenweisheit übrig, daß eine Kultur, die selten
Krieg führt, friedlich ist. Sowohl die Sagen-, als auch die
Geschichtsbücher sind voll von sehr aggressiven
Frauengesellschaften bzw. von Frauen dominierten Gesellschaften, die
nicht nur zur
Verteidigung, sondern zur Eroberung Krieg führten. Stellen wir also fest,
daß das Verhalten und die Denkweise eines Menschen
größten
Teils durch die ihm von der Gesellschaft zugewiesene Rolle bestimmt wird.
Tauschen wir die Barbie-Puppe gegen eine Streitaxt, erhalten wir ein völlig anderes Ergebnis.